Deportationen
über die Gleise

Während der Zeit des Nationalsozialismus wirkte die Deutsche Reichsbahn maßgeblich an der systematischen Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen mit. Von drei Berliner Bahnhöfen wurden zwischen Oktober 1941 und März 1945 Tausende jüdische Menschen deportiert.

Anfang Juni 1942 begannen am Anhalter Bahnhof die Deportationen nach Theresienstadt, einem Getto und Konzentrationslager nördlich von Prag. Der Bahnhof Theresienstadt-Bauschowitz lag 1942 an der Bahnstrecke von Dresden nach Prag. 116 sogenannte Alterstransporte verließen bis kurz vor Kriegsende den Anhalter Bahnhof. Die Transporte bestanden zunächst aus 50, später aus 100 Personen und wurden als Sonderwaggons den fahrplanmäßigen Zügen nach Dresden oder Prag angehängt. Während des normalen Reiseverkehrs wurden von diesem belebten Bahnhof mehr als 9.600 Menschen abtransportiert. Um 6:07 Uhr verließen die Züge Berlin über die Yorckbrücken in Richtung der Konzentrations- und Vernichtungslager. Viele der Lager befanden sich in den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten im Osten Europas. Sie waren das eigentliche Deportationsziel.

Anhalter Bahnhof 1940
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Anhalter Bahnhof 1940

Morgens um 3:15 Uhr ging es dann zu Fuß zum Monbijouplatz und von dort mit Sonderstraßenbahnen – mit Soldaten des Bataillons Göring – zum Anhalter Bahnhof. Von dort fuhren die Juden mit zwei Waggons des täglichen Dresdener Zuges Richtung KZ Theresienstadt.«

Rose-Marie Schnapp, geboren 1921,
arbeitete bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt im Sammellager Große Hamburger Straße in der Küche.

Mit jedem Transport wurden zuerst 50, dann je 100 Menschen evakuiert, sie wurden morgens um 5 Uhr in einen Sonderwagen der Straßenbahn verladen, der sie zum Anhalter Bahnhof brachte. Dort wurden ein bzw. zwei D-Zug-Waggons an den Karlsbader Bäderzug angehängt, und so wurden diese Menschen unter ganz erträglichen Umständen auf die Reise geschickt. Was sie in Theresienstadt erwartete, wusste in Berlin niemand.«

Hildegard Henschel, geboren 1897,
wurde im Transport „I / 96“ am 17. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert und dort im Mai 1945 befreit.

1 Anhalter Bahnhof 1940
Archiv Eisenbahnstiftung

2 zit. nach: Dietlinde Peters, Der Anhalter Bahnhof als Deportationsbahnhof. Berlin 2011, S. 18

3 zit. nach: Alfred Gottwaldt / Diana Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945. Wiesbaden 2005, S. 287

1 Anhalter Bahnhof 1940
Archiv Eisenbahnstiftung

2 zit. nach: Dietlinde Peters, Der Anhalter Bahnhof als Deportationsbahnhof. Berlin 2011, S. 18

3 zit. nach: Alfred Gottwaldt / Diana Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945. Wiesbaden 2005, S. 287